Der Kata Code - Wie aus Formen realistische Kampftechniken werden

Kata sind das Herz des Karate und nehmen einen grossen Teil des Trainings ein. Damit dieser Aufwand gerechtfertigt ist, solltest du die Techniken aus den Kata auch praktisch einsetzen können. Kannst du das? Kennst du mindestens eine Anwendung für jede Technik der Kata, die du zur Selbstverteidigung einsetzen würdest? Wenn nicht, empfehle ich dir, weiter zu lesen...

Die praktische Anwendung der Techniken in den Kata war lange ein wohlgehütetes Geheimnis. So geheim, dass sie sogar vergessen ging. Kata wurden und werden trainiert, ohne dass die so gelernten Techniken in realen Kampfsituationen eingesetzt werden können. Glücklicherweise sind im Zeitalter des Internets viele Geheimnisse frei verfügbar, die früher nur einem kleinen Kreis von Eingeweihten zugänglich waren. Es ist Leuten wie Patrick McCarthy, Iain Abernethy und vielen anderen zu verdanken, dass Karate und damit Kata zurück zur Realität finden.

Karate entstand ursprünglich als Selbstverteidigungssystem. Nicht als Sport oder zur Charakter-Bildung. Wie kommt es dann, die meisten Karate-Ka von heute Kata-Techniken nicht zur Selbstverteidigung einsetzen können?

Haben unsere Vorgänger, die alten Meister auf Okinawa, eine Serie von mystischen Tänzen kreiert, die keinen Bezug zum wirklichen Kämpfen haben? Oder waren sie Übermenschen, die ihre Gegner sogar mit für uns unrealistischen Techniken besiegen konnten? Wohl kaum. Viele der legendären Karate-Ka auf Okinawa waren Leibwächter, Ordnungshüter oder Berufssoldaten. Also Leute, die ihre Kampffähigkeiten häufig anwenden mussten. Und die Kämpfe in den Strassen Okinawas sahen vor 200 Jahren nicht viel anders aus als heute bei uns. Damals wie heute gleichen sich die meisten Selbstverteidigungssituationen. Die Physiologie der Menschen ist dieselbe und gibt die Möglichkeiten vor, wie jemand angegriffen werden kann.

Jetzt geht es zur Sache: Um Kata realistisch interpretieren zu können, brauchst du den richtigen Code. Sonst werden dir die Anwendungen der Techniken immer ein Rätsel bleiben, egal, wie lange du trainierst. Hier sind die wichtigsten Regeln zum Entschlüsseln der Kata:

Es gibt nur einen Gegner, und dieser steht fast immer vor dir.
Wenn eine Technik zur Seite ausgeführt wird, ist das ein Hinweis auf die eigene Position zum Gegner.

Jede Technik kann verschiedene Anwendungen haben.
Ein Gedan Barai kann z. B als Hebel oder Wurf interpretiert werden.

Wenn die Faust zur Hüfte gezogen wird (Hikite), wird in der Regel ein Körperteil des Gegners (z. B. Handgelenk oder Arm) gepackt.
Es ergibt sonst keinen Sinn, die Hand an der Hüfte zu platzieren.

Die Techniken der Kata sind Verteidigungen gegen die häufigsten Angriffe in der Realität.
Das sind nicht Karate-Techniken, sondern eher: Packen am Arm oder Kragen, weit ausholende Schläge zum Kopf, Packen von vorne oder hinten, Kopfstösse, Kniestösse und so weiter.

Einzelne Sequenzen können verschieden interpretiert werden.
Eine Serie von 5 Bewegungen hat z. B eine Anwendung der Techniken 1-3, dann eine andere mit Technik 2-5 und so weiter.

Sprünge sind häufig als Wurftechniken zu interpretieren.
Würfe sind als Soloform schwierig zu trainieren. Der Sprung symbolisiert den Krafteinsatz der Beine beim Wurf.

Vitalpunkte sind sehr wichtig.
Angriffe werden gezielt auf anatomische Schwachstellen ausgeführt.

Jede Bewegung hat eine Bedeutung und eine praktische Anwendung.
Es gibt in den Kata keine energetischen oder esoterischen Bewegungen. Auch die Anfangspositionen und speziellen Handhaltungen (u. a. Bassai, Jion) haben eine praktische Anwendung.

Jede Drehung kann eine Technik sein.
Drehungen können z. B. Hebel- und Wurftechniken sein und bedeuten nicht zwingend, dass man sich einem neuen Gegner zuwendet.

Wenn du diese Regeln umsetzen kannst, werden deine Kata zum Leben erwachen. Mach dir Gedanken zu jeder Sequenz der Kata und übe sie mit einem Partner. Viel Glück!

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